Wie läuft es sich eigentlich mit einem ultraleichten Gore-Text Wanderschuh in vollkommen absurden, alpinen Verhältnissen? Seit Haglöfs ihn rausgehauen hat, weiß ich es – ein Test unter extremen Bedingungen.
Bevor mir jetzt jemand erzählt, dass der Strive Mid für eine Alpintour gar nicht ausgelegt ist: I know! Aber ich wollte es eben wissen. Spoiler: er hat es überraschend gut überstanden!
Auf der Suche nach Wanderschuhen spielt das anvisierte Einsatzgebiet ja eine nicht unentscheidende Rolle. Und was man so mit sich rumschleppt. Je einfacher das Gelände und so geringer die Last, desto leichter und „untechnischer“ kann der Schuh sein. Um das gleich mal ad absurdum zu führen, habe ich die nur 660 Gramm leichten Haglöfs Strive Mid GT (korrekt: beide zusammen wiegen so viel) mit 9 Kilo auf dem Rücken in alpines Gelände mit scharfkantigem Kalkgestein entführt, bei dem es auch mal stundenlang über Schneefelder ging.
Sitz
Es ist nicht so, dass ich Verfechter hochschaftiger Schuhe bin, weil ich ernsthaft glaube, dass mich das am Umknicken hindern würde – was ich in Punkto Schutz daran aber durchaus sinnvoll finde: die Knöchel wissen es zu schätzen. Der Strive Mid schützt obenrum mit fingerdicker Polsterung zuverlässig und sitzt zugeschnürt wie angegossen. Manko: die Senkel sind etwas rutschig, wodurch man zwischenzeitlich immer mal wieder nachziehen sollte.
Die Zunge (im Schuh) bleibt beim Laufen da, wo sie sein soll – ich erwähne das, weil ich des öfteren mal Probleme mit verrutschenden Zungen (ja, immer noch im Schuh) hatte. Ansonsten drückt vorne oder hinten nix, auch der Zehenbereich wird nicht gequetscht, wie man das vielleicht manchmal bei Lederschuhen hat.
Insgesamt empfand ich die Schuhe als saubequem, was zum einen wohl daran liegt, dass sie für meinen schmalen Fuß wie gemacht sind (Bergstiefel von Lowa sind da meine Referenz), und zum anderen, dass sie vom Material her, bis auf den Fersenbereich, wenig hart vorgeformt sind. Trotzdem hatte ich nie das Gefühl, in den Schuhen zu „schwimmen“.
Sohle
Man spürt nicht jeden Stein oder jede Unebenheit, die Sohle ist recht druckfest. Sie ist aber so biegsam, dass die Fußmuskulatur schon eher im Dauereinsatz ist. Das muss nicht schlimm sein, verleiht aber bei eher unsicherem Tritt vielleicht das Gefühl, nicht die volle Kontrolle zu haben. Insbesondere mit schwerem Gepäck macht sich das bestimmt bemerkbar (ich hatte „nur“ 9 Kilo auf dem Rücken).
Die Schuhe sind aber eher für leichte Beladung konzipiert, quasi ein Hybrid aus Haglöfs Trailrunnern und Bergschuhen. Und den Job machen sie gut. Tatsächlich ließ mich die Sohle auch nach sechs Stunden Tour noch nicht an meine Füße denken. Wer direkt von festen Bergschuhen umsteigt, wird das vielleicht anders empfinden.
Rutschfest sind die Dinger auch. Weitgehend. Problematisch war es auf nassem Gras oder Waldboden, aber da versagen viele Wander- und Bergschuhe. Auf Schneefeldern hat man gemerkt, dass die Schuhe dafür einfach nicht ausgelegt sind. Es ist keine Tortur mit ihnen durch Schnee zu laufen, aber man achtet schon deutlich mehr auf den Auftritt. Zumal mit härteren Bergschuhen bessere Stufen in steilere Passagen zu treten sind.
So sahen die Schuhe nach fünf Tagen Hardcore-Einsatz aus – geht eigentlich, oder?
Wetterschutz
Puh, kommen wir zum ernüchternden Teil: GoreTex in Wanderschuhen. Ja, für kürzere Schauer super, ab einer halben Stunde Dauerregen, Schnee oder durch nasses Gras sind die Füße dann eben auch nass. Und das Wasser geht nicht so schnell wieder aus den Schuhen raus – was zu lustigen Schmatzgeräuschen während des weiteren Wanderns führt. Sofern man das dann noch lustig findet.
Bei Temperaturen sagen wir so um 20 Grad leidet bei mir zusätzlich auch immer das Fußklima, die Schuhe werden innen feucht, auch wenn es draußen knochentrocken ist.
Warum habe ich trotzdem GoreTex gewählt? Ich habe keine Ahnung. Sicherheitsdenken, Glaube, Hoffnung. Für mich bleiben Membranen im Extremfall immer etwas heikel. Insbesondere in Schuhen, die während des Laufens stark beansprucht werden und die Membran fortwährend gestaucht und gedehnt wird. Für kurze Schauer okay, für den Einsatz bei starkem oder längerem Regen und insbesondere in Schnee oder hohem nassem Gras eher nicht.
Material
Die eigentliche Überraschung der eigentlich recht filigranen Schuhe: das Material hat fünf Tourtage scharfkantiges Kalkgestein gut überstanden. Das wundert mich bei den feinen Außennähten, den dünnen Schnürsenkeln, den textilen Ösen und besonders der Sohle. Etwas abgelaufen sind sie, ja, aber noch recht funky. Ich habe eine Miniloch in die Außenhaut bekommen und vorne an der Spitze hat sich die Sohle an einem Schuh leicht gelöst, aber ich bin schon mit weitaus lädierteren Lederschuhen von Qualitätsmarken nach Hause gekommen.
Fazit
Während meiner Tour habe ich nach einer Stunde Dauerregen gut geflucht über die Schuhe, bin aber am Ende froh, sie zu haben. Für leichtere Touren in den Bergen sind sie sehr gut geeignet, insbesondere, wenn die Außentemperaturen nicht allzu hoch sind und nur leichte Regenschauer zu befürchten stehen.
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